In den letzten Jahrzehnten wurde in Industrienationen ein starker Anstieg allergischer Erkrankungen verzeichnet. Allein in Deutschland gibt es heute mindestens 20 Millionen Betroffene. Dafür, dass Allergien gerade in hoch entwickelten Ländern immer häufiger werden, machen viele Fachleute den dort vorherrschenden – westlichen – Lebensstil (mit-)verantwortlich.
Unterfordertes Immunsystem
Einer von ihnen ist der britische Allergieexperte David P. Strachan. Er veröffentlichte 1989 die so genannte Hygienehypothese. Diese besagt im Grunde, dass das Immunsystem von Kindern, die in einer Umgebung mit hohen Hygienestandards groß werden – was zweifellos enorme Vorteile für die Gesundheit hat und viel Leid erspart! –, nicht genügend gefordert wird.
Im Gegensatz zu früher sind Bakterien, Viren, Würmer und andere Parasiten weniger präsent. Putz-, Wasch- und Körperpflegemittel, Lebensmittelhygiene und medizinische Fortschritte haben diese „Mitbewohner“ viel seltener gemacht. Also startet die „gelangweilte“ körpereigene Abwehr quasi als Gegenreaktion Attacken auf harmlose Umweltstoffe. Diese Angriffe sind die Basis für die Entwicklung einer Allergie.
Mediziner vermuten, dass die in der Menschheitsgeschichte noch recht neue Unterforderung des Immunsystems auch bei anderen Zivilisationskrankheiten eine Rolle spielt. Dazu zählen Neurodermitis, Morbus Crohn und multiple Sklerose.
Tut Dreck wirklich gut?
Definitive Beweise für die Hygienehypothese stehen noch aus und es gibt auch Kritiker. Allerdings spricht einiges für diesen Erklärungsansatz.
So entwickeln etwa Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen oder in Tagesstätten betreut werden, vergleichsweise selten Allergien. Weil sie dort mit einer Vielzahl von Krankheitserregern in Kontakt kommen, hat ihr Immunsystem ausreichend Beschäftigung und gerät nicht auf Abwege.